In den 1970er Jahren waren die olympischen Segelwettbewerbe das größte Ereignis in Kiel. Kein Wunder also, dass viele Amateurfilmer das Geschehen in der Kieler Förde mit ihren Schmalfilm-Kameras festgehalten haben.
Der Filmemacher Gerald Grote vom ZeitZeugenStudio e.V. in Kiel erklärt Schritt für Schritt, wie der Kinofilm KIELympia entstanden ist.
KIELympia, Dokumentarfilm mit historischen Amateuraufnahmen über Olympia in Kiel (65 Minuten), von Oliver Boczek, Matthias Fey und Gerald Grote vom ZeitZeugenStudio e.V. in Kiel
1972 drehte sich alles um die XX. Olympischen Sommerspiele in München und Kiel. Die 6 Segelwettbewerbe fanden Ende August / Anfang September in der Kieler Außenförde vor dem Ortsteil Schilksee statt. Wie kam es, dass Sie 50 Jahre später auf die Idee kamen, einen Kinofilm dazu herauszubringen?
Gerald Grote: Wir vom ZeitZeugenStudio e.V. haben uns das Ziel gesetzt, Amateurfilme systematisch zu erfassen und für die nächsten Generationen zu erhalten.
Zum Einstieg für unseren gemeinnützigen Verein überlegten wir uns, dass ein Film über die Segelwettbewerbe 1972 die größte Aufmerksamkeit wecken würde. Denn das Ereignis war ja so spektakulär, dass viele Menschen von den Balkonen und vom Ufer aus zuschauten und die Szenerie mit Fotoapparaten und Schmalfilmkameras festhielten.
An den olympischen Segelwettbewerben 1972 nahmen nur männliche Sportler teil. Ist es ein Vorurteil, dass auch vor allem Männer mit den Kameras unterwegs waren?
Gerald Grote: Ja, wir können tatsächlich bei der männlichen Form bleiben. Denn zur damaligen Zeit waren es meist die Ehemänner, Väter und Großväter, die sich mit dem Fotografieren und Filmen ihrer Familien beschäftigten. Also zogen sie auch bei den Segelwettbewerben mit ihrem Equipment los. Es mag auch Frauen gegeben haben, die Fotos machten und filmten – aber für unseren Kinofilm KIELympia hatten wir es fast nur mit männlichen Filmgebern zu tun.
Von diesen Personen stammen die verwendeten Film-Aufnahmen für KIELympia 2022, herzlichen Dank!
- Rolf Abraham
- Karl-Heinz Burmeister
- Katrin Cornelius
- Erwin Fehler
- Hans-Peter Flüh
- Gerald Grote
- Franz Hau
- Godehard Hölting
- Hans Martin Kersten
- Wilfried Konrad
- Dieter Krastel
- Hans Peks
- Bernd Quade
- Herbert Roeper
- Manfred Rotzoll
- Dieter Schultz
- Ingrid & Martin Schulz
- Thea Schulz
Wie haben Sie die Amateurfilmer gefunden, die geeignetes Material über die Segelwettbewerbe in Kiel hatten?
Gerald Grote: Wir haben in den Kieler Nachrichten, im Kieler Express und bei NDR Kultur dazu aufgerufen, dass wir an Amateurfilmen zu diesem Event interessiert seien. Wir hatten auch direkte Kontakte zu Filmern, die wir von einem anderen Projekt zu „125 Jahre Kieler Woche“ schon kannten.
Das Format war uns egal – Hauptsache, wir hatten genügend Material zur Auswahl, um die unterschiedlichen Themen der Segelwettbewerbe, aber auch die baulichen Veränderungen in der Stadt beleuchten zu können: Sportler, Prominente, Regatten, Siegerehrungen, Publikum und natürlich die damals ganz neuen Gebäude in Schilksee.
Wie viel Filmmaterial lieferten die Kieler bei Ihnen im Büro in der Pumpe ab?
Gerald Grote: Es war unglaublich! 35 Personen haben bei uns insgesamt 200 Filmrollen abgegeben. Mal waren nur 3 Minuten drauf, mal 20 Minuten.
Ein Hotelmanager aus Kiel brachte 20 Rollen in einem Kasten mit, die er sich selbst nie angesehen hatte. Er erzählte uns, dass er nach den Segelwettbewerben unterwegs gewesen sei und die Filme schlichtweg vergessen habe. Erst als er unseren Aufruf gelesen habe, sei ihm wieder eingefallen, dass er ja auch etwas zu unserem Kinofilm KIELympia beitragen könne.
Mit allen Filmgebern haben wir eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, mit der wir vorab alle weiteren Verwertungsschritte geregelt haben. Denn wir wollten ja nicht nur einen Kinofilm machen, sondern ihn dann auch auf einer DVD verkaufen.
In welchem Zustand waren die Amateurfilme, die im ZeitZeugenStudio in Kiel abgegeben wurden?
Gerald Grote: Manches war leider nicht brauchbar, es gab Laufstreifen, Kratzer und Schimmel. Mal lief im Vordergrund ein Kind durchs Bild. Mal war der Film falsch belichtet oder unscharf. Einige Filme waren auch leider nicht gelungen – aber das ist bei Amateuren ja verständlich, weil sie ihre Schmalfilmkameras erst mal ausprobieren müssen.
Wir haben alle Filmstreifen in Excel-Tabellen erfasst und kamen schließlich auf 40 Stunden Rohmaterial – in den Formaten Normal8 und Super8, im französischen Format 9,5 und als 16mm-Film.
Aus 40 Stunden Material wurde ein 65 Minuten langer Kinofilm. Wie sind Sie vorgegangen, um die Geschichte so zu erzählen, dass sie für das Kinopublikum anschaulich und spannend ist?
Gerald Grote: Das ist ein aufwändiger Prozess. Wir haben uns immer wieder im Team zusammengesetzt und überlegt, aus welcher Perspektive wir das Ganze am besten angehen könnten. Mit unserem Cutter Oliver Boczek haben wir alle möglichen Varianten besprochen.
Die wichtigste Frage zu Beginn: Was zeigen wir auf alle Fälle? Natürlich die Fackelläufer Uwe Brandenburg und Philipp Lubinus. Und als Highlight auch die Windjammerparade, zu der 500.000 Menschen kamen, um die 70 großen Segelschiffe aus 20 Nationen zu bestaunen. Es müssten rund 10.000 Boote, Jollen, Kutter und alles, was schwimmen konnte, auf dem Wasser gewesen sein.
Danach kam die Feinarbeit fürs Konzept. Wir fanden es am besten, chronologisch vorzugehen – und zusätzlich auch Zeitzeugen in unserem Studio zu interviewen, um auch den Blick zurück auf die Vergangenheit zu zeigen.
Es hat uns viel Freude bereitet, mit unseren Interview-Partnern für den Film KIELympia zu sprechen:
- Günther Bantzer
- Uwe Brandenburg
- Katrin Cornelius
- Peter Hense
- Dieter Krastel
- Ullrich Libor
- Dieter Schultz
- Alard Stolte
- Hinrich Storch
Sie haben 8 Monate gebraucht, bis der Kinofilm fertig war. Welche Rolle spielte die Filmmusik dabei?
Gerald Grote: Uns war es wichtig, dass die Stummfilme mit einer passenden Musik hinterlegt wurden. Dafür haben wir frühzeitig mit dem Filmkomponisten Chris Evans Ironside aus Hamburg gesprochen.
Chris hat wiederum mit dem Filmkomponisten Andreas Kuse aus Hamburg zusammengearbeitet, der die eigens komponierte Filmmusik mit einem digitalen Sampler einspielte. Damit die Musik so echt wie möglich nach einem Orchester klingt, hat er die Filmmusik mit einzelnen Tönen aufgelockert, die von live eingespielten Instrumenten stammten.
Leider hat Chris die Premiere unseres Films KIELympia nicht mehr miterlebt.
Parallel zur Arbeit an der Filmmusik haben Sie die Amateurfilme mit dem Film-Scanner digitalisiert. Was war dabei zu tun?
Gerald Grote: Der Kameramann Hannes Gorrissen hat uns bei den Farbkorrekturen unterstützt, denn ein Agfa-Film hat andere Farben als ein Kodakfilm. Beim laufenden Film darf man ja später nicht von einem blaustichigen zu einem rotstichigen Bild springen, das würde irritieren.
Wir mussten die unterschiedlichsten Filmformate zusammenbringen. Unser IT-Fachmann Ralf Heinicke (Interview zur Digitalisierung) hatte schließlich eine sehr hoch auflösende digitale Datei als Ergebnis, die dann noch fürs Kino in das DCP-Format umgewandelt werden musste. DCP bedeutet Digital Cinema Package.
Der Mediengestalter Matthias Fey bereitete den Schnitt vor. Unser Cutter Oliver Boczek hat sich dann viel Zeit fürs Schneiden genommen. Er hat den Bildwechsel auf den Takt der Filmmusik geschnitten und dafür manchmal mit äußerster Geduld nach einem passenden Bild gesucht, das man dann nur 4 Sekunden gesehen hat. Das Schneiden ist wirklich ein komplexer Vorgang und eine künstlerische Arbeit.
Wir haben alle gut auf Augenhöhe zusammengearbeitet, uns gegenseitig kritisiert, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen, und waren schließlich überrascht, wie gut die kleinen Filmbilder auf der großen Kinoleinwand zur Geltung kommen.
Wie ist die Resonanz auf den Film KIELympia?
Gerald Grote: Die Filmpremiere im August 2022 fand in Schilksee auf einer Großbildwand im Olympiazentrum unter freiem Himmel statt. Es kamen ungefähr 300 Leute.
Danach zeigten wir den Film im kommunalen Kino in der Pumpe. Seitdem ist der Film auch bei anderen Gelegenheiten und bei Veranstaltungen zu sehen. Im Internet verkaufen wir auch die DVD KIELympia.
>>> Berichte über KIELympia beim NDR und bei infomedia.sh
Wir freuen uns bei jeder Veranstaltung – wie letztens bei einem Klassentreffen mit 33 Personen, die alle so um die 75 waren -, dass wir die Zuschauerinnen und Zuschauer mit unserem Erstlingswerk KIELympia begeistern können. Das positive Feedback macht Mut, weitere Amateurfilme zu digitalisieren und unsere Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Außerdem ist es schön, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Denn so mancher Zuschauer hat noch einen Filmschatz in der Schublade.
Beitragsbild: Uwe Brandenburg läuft mit der Fackel zur Eröffnung der Segelolympiade 1972 an den Zuschauern am Schilksee in Kiel vorbei. Quelle: Wikipedia Commons, Stadtarchiv Kiel.